Ausstellung

BISCHOF VON MERSEBURG UND CHRONIST DER OTTONEN

„Nun sieh‘ dir doch den vornehmen Herrn an, lieber Leser! Da siehst du in mir ein kleines Männlein, die linke Wange und Seite entstellt, weil hier einmal eine immer noch anschwellende Fistel aufgebrochen ist. Meine in der Kindheit gebrochene Nase gibt mir ein lächerliches Aussehen. Doch über das alles würde ich gar nicht klagen, hätte ich innere Vorzüge. Aber ich bin nichtswürdig, sehr jähzornig und unlenksam zum Guten, habsüchtig, spottlustig trotz meiner Lächerlichkeit.“

Thietmar von Merseburg (Chronik IV ,75)

 

Bischof Thietmar von Merseburg (976-1018) hat mit seiner Chronik eines der bedeutendsten Geschichtswerke des Mittelalters hinterlassen. Für das Zeitalter der Ottonen stellt sein Werk die wichtigste erzählende Quelle dar. Als Reichsbischof hat er nicht nur die politischen Vorgänge seiner Zeit beobachtet, sondern vielmehr auch religiöse, kulturelle, wirtschaftliche und ethnologische Beobachtungen mitgeteilt.

1012 begann Thietmar von Merseburg mit der Niederschrift seiner Chronik. Anschaulich und lebendig berichtet er von den großen Ereignissen des 10. Jahrhunderts und bringt damit Licht ins Dunkel des Mittelalters. Akribisch zeichnet er den Übergang der großen Reiche und Stämme zum Christentum auf: Slawen, Dänen, Polen, Böhmen und Ungarn. Dabei hebt er immer wieder die Leistung der Ottonenherrscher, namentlich Otto I., Otto II., Otto III. sowie Heinrich I. und Heinrich II., hervor. Seine Chronik liest sich wie das „Who-is-who“ einer bewegten Epoche. Häufig schildert Thietmar Konflikte und deren Beilegung, wobei er stets seine Meinung äußert – ein Novum in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung.

Die Ausstellung bietet einen Gang durch die Chronik Thietmars und geht dabei auf die Wesensmerkmale dieses mittelalterlichen Lebenswerks ein: die Entstehung des christlichen Europa, die Kraft der Memoria und die Bedeutung der vier Kardinaltugenden für das mittelalterliche Menschenbild.

Der Besucher taucht in die Vorstellungswelt des mittelalterlichen Menschen ein, erlebt Kaiserkrönungen, prachtvolle Hoftage und kirchliche Feste. Geschickt webt Thietmar alltägliche Szenen, wie Gefahren durch wilde Tiere, Hungersnöte, Reisen mit dem Schiff, Sitten und Gebräuche verschiedener Völker, aber auch Geistererscheinungen, Sonnenfinsternisse und Traumbilder ein.

Die Erzbischöfe, Bischöfe, Herzöge und Grafen als „Säulen des Reiches“ werden als tugendhafte Berater und Helfer des Königs dargestellt, die jedoch auch in Gegensatz zu diesem geraten konnten. Wie im Merseburger Totenbuch hält Thietmar in seiner Chronik die Todesdaten zahlreicher Personen fest, die zur Führungsschicht des Reiches gehörten und setzt ihnen damit ein ewiges Denkmal. So bleiben diese durch das Gedenken (Memoria) unter den Lebenden und erfahren Errettung durch die Fürbitte.

„Wer immer mit einem bedeutenden Werke hervortritt, erhofft sich davon Nutzen für Gegenwart und Zukunft, je nach Geschick und Begabung möglichst große Verbreitung der ihm anvertrauten Dinge und ihre Überlieferung zu immerdar lebendigem Erinnern.“

Dieses Diktum Thietmars (Chronik I, 1) steht über seiner Chronik und ist nunmehr Richtlinie für die Gestaltung einer einmaligen und eindrucksvollen Ausstellung über die Welt vor 1000 Jahren.

Merseburger Dom

Der Merseburger Dom St. Johannes und Laurentius hat Thietmar nicht nur seine weltberühmte Chronik zu verdanken. Unter Thietmars Ägide wurde das Totengedenken der Ottonen von Quedlinburg nach Merseburg verlagert. 1015 legte Thietmar selbst die Grundsteine zum Neubau Doms. Aufgrund seiner Ausstattung zählt er heute zu den herausragenden Baudenkmälern an der „Straße der Romanik“. Die in Dom und Domschatz präsentierten Altarretabel, Skulpturen, Epitaphe, Gemälde und Handschriften, darunter die berühmten Merseburger Zaubersprüche sind von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung. Ein Klangerlebnis der besonderen Art bietet die romantische Ladegastorgel.

Willi-Sitte-Galerie

In direkter Nachbarschaft des Merseburger Doms, eingerichtet in der ehemaligen Domherrenkurie Curia Nova, befindet sich die Willi-Sitte-Galerie. Eigentlich trifft der Besucher dort auf Werke, die mit dem Wirken des Malers Willi Sitte in Zusammenhang stehen. In diesem Jahr öffnet sich hier ein Fenster in „Thietmars Welt“. In den Räumen der Willi-Sitte-Galerie beginnt der Rundgang durch „Thietmars Welt“, der im Merseburger Dom seine Fortsetzung findet.

Ihre Eintrittskarte zu „Thietmars Welt“ berechtigt Sie ebenfalls zum Besuch der Dauerausstellung „Willi Sitte: das  druckgraphische Werk“.

www.willi-sitte-galerie-merseburg.de